16. März 2012, Österreich
Der Lockruf der Maultrommel
Obwohl sie Trommel heißt, ist sie zierlich und leicht und passt in jede Westentasche. Vermutlich aus Asien kommend, ist sie in das schmale Tal der Steyr in Oberösterreich eingewandert.
Ein Feuerwerk von Obertönen explodiert über einem gleichbleibenden Grundton. Das Instrument, das die Kraft dazu hat, sieht man zunächst kaum. Der Spieler hält die Schenkel des gebogenen Rahmens zwischen den Lippen, nah an den Zähnen, und mit der Hand versetzt er die elastische Zunge dazwischen ins Schwingen. Dieser innige Kontakt zum Instrument muss sein, denn seine Verstärkung und Modulation erfährt der angeschlagene Ton allein durch den Spieler: Dessen Körper ist der Resonanzraum, er formt die Musik. Mit Mundhöhle und Atem werden die Obertöne moduliert.
In jetzt schon zwölfter Generation stehen Wimmer-Bades, Vater und Tochter, in der Werkstatt am Fluss in Molln, mit altem Werkzeug und kleinen Maschinen aus den 1960er Jahren. Der Vater biegt den Eisendraht, setzt die gehärtete Zunge aus Stahl auf und lauscht dem Klang seines Werks nach, schleift etwas vom Rahmen weg, drückt die Schenkel dieses auch Brummeisen genannten Instruments enger zusammen, schlägt es wieder an. Durch die Wiederentdeckung der Volksmusik und den Boom der Ethno-Musik ist die Maultrommel plötzlich in vieler Munde: Eine internationale Maultrommel-Gesellschaft samt jährlich stattfindendem Maultrommel-Festival beweist das neu erwachte Interesse. Außerhalb der Musiksäle war die Maultrommel wiederholt verboten: Leise angeschlagen, lockten die Burschen mit ihrem surrend-vibrierenden Ton nachts die Mädchen ans Fenster und betörten sie mit dem sündhaft erotisierenden Zungenschlag so sehr, dass sie in die Kammern einsteigen durften. In den Steppen Asiens ist es das Instrument der Schamanen, die sich damit in Trance versetzen.
Warum dieses archaische Instrument seit etwa 400 Jahren gerade in Molln erzeugt wird, weiß keiner so recht. Sicherlich, weil das Steyr-Tal – wie alle wasser- und waldreichen Täler rund um den Erzberg, der Eisenquelle Österreichs – vom Handel und Handwerk damit lebten. Von den rund 400.000 Instrumenten, die in Molln von insgesamt drei Betrieben handwerklich gefertigt werden, gehen über 90 Prozent in die Welt hinaus. In allen drei Werkstätten werden Führungen angeboten und einzelne Arbeitsschritte erklärt. Zum Abschluss gibt es eine eindrucksvolle Hörprobe auf hauseigenen Brummeisen.
Maultrommelverein
Die Website des österreichischen Maultrommelvereins führt Maultrommler, Maultrommelschmieden, Veranstaltungen und Kurse auf.
www.maultrommelverein.at
Maultrommelschmiede Wimmer-Bades
Die Werkstätte Wimmer-Bades in Molln ist ein Maultrommelschaubetrieb.
www.maultrommel.at
Maultrommelschmiede Schwarz
Der Familienbetrieb widmet sich seit 1679 der Musikinstrumenterzeugung.
www.maultrommel-schwarz.at
Maultrommelschmiede Jofen
www.maultrommel-molln-jofen.at
Kunstschmied Johann Schmidberger
Diese Werkstatt hat für Schauspieler Bruno Ganz und Star-Tenor Placido Domingo für den Bühnengebrauch Maßkostüme aus Eisen gefertigt und schmiedet – als Requisiten fürs Theater oder zur Restaurierung alter Gebäude – alles, was sich aus Eisen machen lässt.
www.schmiede-schmidberger.at
Weitere Informationen zu diesem Thema erhalten Sie unter der Adresse www.austria.info