21. Dezember 2011, Wien, Österreich
Ein Stück Gemütlichkeit
Wien - Lebensgefühl KaffeehausRaschelnde Zeitungen, hitzige Debatten und der Duft von frisch gebrühtem Kaffee: Willkommen im Wiener Kaffeehaus, wo Plüschbänke um Marmortischchen stehen, Thonet-Stühle auf dem Parkett scharren und Spiegel mild gedämpftes Licht reflektieren. Bis heute zeugen die aufwändigen Arabesken, Gloriolen, und Ornamente vom Prunk vergangener Zeiten. Ihre Patina verschafft dem Kaffeehaus, was es am meisten braucht, Atmosphäre. Die Wiener haben das Kaffeetrinken zur Kultur gemacht und zum umfassenden Lebensgefühl erhoben – ein Gefühl, das Besucher in vielen der Traditionshäuser noch heute nachempfinden können.
Die Wiener sagen, sie hätten 1683 beim Abzug der Türken nach erfolgloser Belagerung Säcke mit Kaffeebohnen erbeutet. Tatsächlich auf den Geschmack gebracht hat sie ein verdienter Spion des Kaiserhofs: In Istanbul geboren, gründete er 1685 das erste Wiener Kaffeehaus. Über 300 Jahre später ist das Kaffeehaus eine Institution, die mit keiner auf der Welt zu vergleichen ist. Als Wiens ältestes Kaffeehaus – eröffnet 1824 – lädt das Kaffeehaus Frauenhuber (Himmelpfortgasse 6, 1010) zur gemütlichen Auszeit. Einst erprobte dort Wolfgang Amadeus Mozart die Wirkung seiner Kompositionen und Ludwig van Beethoven lud zur Tafelmusik. Lohnenswert ist auch ein Besuch im Café Sperl (Gumpendorfer Straße 11, 1060): Mit einem Interieur wie im 19. Jahrhundert, Billardtischen und einem großen Zeitungsangebot entführt es seine Gäste in die Zeit des Fin-de-siècle.
Auch zahlreiche Literaten wie Egon Erwin Kisch, Alfred Polgar oder Arthur Schnitzler nutzten das Kaffeehaus als zweites Wohnzimmer: Die Arbeit im Kaffeehaus ermöglichte ein Werken an den eigenen Texten, ohne sich einsam zu fühlen. Im Kaffeehaus hatte man außerdem die Möglichkeit, sich anrufen zu lassen, und war stets mitten im Geschehen. Als bedeutende Künstler-Cafés laden heute etwa das Café Hawelka (Dorotheergasse 6, 1010) – feine Nasen erkennen es ab 22.00 Uhr bereits am Duft nach frischen Buchteln – oder das Café Central (Herrengasse/Strauchgasse, 1010), in dem der „Kaffeehausliterat“ Peter Altenberg und der Architekt Adolf Loos einst ein und aus gingen. Das Café Landtmann (Dr.-Karl-Lueger-Ring 4, 1010) fungiert damals wie heute als zentraler Treffpunkt für die Prominenz aus Wirtschaft und Politik.
Im Sommer laden die Schanigärten zu Kaffee und Torte. Unter einer der ältesten Sonnenjalousien Wiens vor dem Café Prückel am Stubenring genießen die Gäste die Aussicht auf das Treiben in den Straßen. Zur Zeit der Kaiserin Maria Theresia erhielt der Italiener Gianni Tarroni erstmals die Genehmigung, Tische und Sessel im Freien vor seinem Café am Graben aufzustellen – Giannis Garten wurde schnell zum Schanigarten. Im Café Prückel erleben Besucher ebenso wie in vielen anderen Institutionen dieser Art den typischen Service im Kaffeehaus – mit dem „Herrn Ober“, der mit kleiner Verbeugung, edler Robe und Wiener Charme punktet.
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