16. Juli 2012, Ribnitz-Damgarten, Fischland-Darß-Zingst
Ein Vestibül der Stadt
Urlaubsarchitektur in Ribnitz-DamgartenDie mit knapp 16.000 Einwohnern relativ kleine Stadt Ribnitz-Damgarten liegt nicht in der ersten Reihe an der Ostsee, was ihr zum Nachteil gereichen könnte, konzentriert sich die wirtschaftliche Prosperität des Landes Mecklenburg-Vorpommern doch auf seinen schmalen Küstenstreifen und einige Städte. Als „Tor zum Darß“ passieren allerdings einige Urlauber die Stadt. Ihre Lage an der Ribnitzer See, dem Boddengewässer hinter Fischland und Darß hat durchaus Reize und auch die noch intakte Struktur der Stadt hat mit ihren gut erhaltenen, sensibel ergänzten und erneuerten Häusern sowie nicht zuletzt mit dem Deutschen Bernsteinmuseum durchaus touristische Qualitäten. Urlaubern kann das auf der Durchfahrt in die Ferienorte auf Fischland und Darß ein Anlass für einen Zwischenstopp bieten, Bootstouristen einen Grund zum Anlegen im Sportboothafen geben und auch wandernde Radfahrer zum Bleiben anregen.
Die Stadt hat dafür nicht nur die notwendige Infrastruktur geschaffen und arbeitet daran mit den Planungen für eine neue Marina weiter, sie hat auch besonderen Wert auf gestalterische Qualität der zentralen öffentlichen Räume gelegt. Dabei ist zunächst eine neue Uferpromenade an der Ribnitzer See nach den Entwürfen der Landschaftsarchitekten Webersinke Hentschel als eine Parkanlage mit Kinderspielplatz und einem überschaubaren Wegesystem entstanden, in dessen Mitte 2009 die wohl letzte Skulptur aus der Hand des Rostocker Bildhauers Jo Jastram „Der Zirkus kommt“ aufgestellt wurde. Der Park ist Teil eines Radwanderweges und für Bootstouristen das Tor in die Stadt. Für Fußgänger, kommen sie nun mit der Bahn und streifen durch die Stadt oder mit dem Auto, ist der Marktplatz ein zentraler Anlaufpunkt, zumal hier auch Parkraum geboten wird. Folgerichtig befinden sich am Markt auch die Stadtinformation und ein Restaurant mit Café, für Bewohner und Gäste einfach zu finden oder eben so zentral platziert, dass die täglichen Wege der Bewohner es streifen.
In drei Wettbewerben hat die Stadt nach der jeweils besten architektonischen beziehungsweise künstlerischen Lösung für die Gestaltung des Marktplatzes gesucht, für das Bernsteinhaus mit Information und Restauration und für den Brunnen, der auf dem Markplatz aufgestellt wurde.
Das Landschaftsarchitekturbüro WES & Partner gewann den Wettbewerb um die Platzgestaltung. Ihr Entwurf gliedert den großen Platz in zwei Bereiche: den steinernen Marktplatz und einen kleinen Park um die mächtige Kirche, die den Stadtraum dominiert. Der Park ist nur auf eine Baumreihe, etwas Rasenfläche und ein paar Bänke beschränkt. Er lädt aber zu einer kleinen Entspannung im Arbeits- oder Urlaubsalltag ein. Die Charakteristik des Platzes mit seiner weiten Fläche, der mächtigen Kirche in seiner Mitte und der mit zwei bis drei Geschossen relativ flachen Bebauung an seinen Rändern, unterstützte die Umgestaltung unter anderem dadurch, dass die Höhenunterschiede zwischen Fahrbahnen und Fußwegflächen minimiert wurden. Das trägt zu einem harmonischen Bild bei und lässt Autofahrern, denen der Platz fremd ist, die Geschwindigkeit reduzieren. Das trägt zur Verkehrssicherheit bei, ermöglicht aber auch eine intensivere Wahrnehmung des Stadtraums, was dem touristischen Anliegen der Stadt entgegen kommt.
Auch der Entwurf der Architekten Bastmann und Zavracky für das Bernsteinhaus wurde im Rahmen eines Wettbewerbes ausgewählt. Es ist am Übergang des Markt- zum Kirchplatz angeordnet, was die Zäsur der beiden Bereiche unterstreicht. Die schlichte und elegante Form des Hauses lässt es gegenüber der umgebenden Bebauung am Platz zurücktreten, die durchweg mit üppigeren Formen ausgestattet ist. Die Spiegelungen in den Fassadenplatten erweisen der Kirche und der Bebauung an den Platzrändern eine weitere Referenz. Im Inneren, das von der Innenarchitektin Heidrun Walter gestaltet wurde, öffnet sich durch die großen Glasflächen eben jener weite Blick, der für diesen Platz so bezeichnend ist: zur einen Seite auf das Markt- und Stadtgeschehen und zur anderen Seite in das die Kirche umgebende Grün. Der dritte Wettbewerb galt der Gestaltung des Bernsteinbrunnens, den der Bildhauer Thomas Jastram für sich entscheiden konnte. Der Marktplatz im Stadtteil Ribnitz hat durch diese Maßnahmen eine erhebliche Aufwertung erfahren, die die Stadt an dieser Stelle dringend brauchte. Nicht dass sie hier unansehnlich gewesen wäre, der Wert der Neugestaltung liegt in der jetzt optimierten Verknüpfung des städtischen Bürgeralltags, der Erledigung von Behördengängen, Bankgeschäften oder Einkäufen auf dem Markt mit einer Willkommensgeste der Stadt für die Besucher. Dazu gehört auch eine gleichberechtigte Führung von Omnibus-, individuellem Kraftfahrzeug-, Fahrradund Fußgängerverkehr auf dem Platz, die den Platz vielfältig erleben lässt und nicht nur als Parkplatz.
Zu erwähnen ist selbstverständlich auch das im Kloster St. Claren eingerichtete Deutsche Bernsteinmuseum, das Michael Bräuer als Architekt und Hans Meyer als Innenarchitekt äußerlich sehr zurückhaltend und innen mit einem klaren Bekenntnis zur neuen Form umgebaut haben. Es ist einer der touristischen Attraktionen in der Stadt.
Empfangsräume hat die Stadt Ribnitz-Damgarten in ihrem Zentrum und am Hafen einladend eingerichtet, jetzt gilt es noch die touristische Attraktion zu stärken: ein weiteres Museum, ein Kino oder ein Theater. Hier ist aber das Engagement der Bürger gefragt, angemessene planerische oder architektonische Antworten wird man hier finden, das zeigen die vorgestellten Beispiele.
Text: Olaf Bartels