27. Mai 2010, Reisenews
Eine Insel für die Kunst - Die Schönheit auf den zweiten Blick
Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010Vom 29. Mai bis 5. September wird die Emscherinsel in der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 Schauplatz für 20 Installationen und Interventionen von 40 internationalen KünstlerInnen wie Monica Bonvicini, Mark Dion, Ayse Erkmen, Jeppe Hein, Olaf Nicolai oder Rita McBride. „Die Schönheit auf den zweiten Blick“ könnte der Titel der Ausstellung EMSCHERKUNST.2010, die für 100 Tage „umsonst und draußen“ ihre Tore öffnet, auch lauten.
Denn die von Prof. Florian Matzner (München) kuratierte Ausstellung widmet sich dem für seine pittoresken Landschaften nicht gerade bekannten nördlichen Ruhrgebiet, dem zwischen Emscher und Rhein-Herne-Kanal liegenden Landstück, der so genannten Emscherinsel. Relikte der Montanindustrie wie alte Kohlebunker, spärlich bewachsene Brachflächen, aber auch wild wuchernde Natur machen den herben Charme dieser lange verbotenen Zone und ´terra incognita´ aus. Kaum zugänglich war das Gebiet für Anwohner, ging doch von der ´Cloaca Maxima´ des Reviers, der Emscher, als offener Abwasserleitung lange Zeit Gefahr aus. Die Ausstellung EMSCHERKUNST.2010 lenkt das Augenmerk auch auf das Generationenprojekt Emscherumbau, der Renaturierung der einstmaligen „schwatten“ Emscher und ihrer Nebenläufe.
Wilde Insel, Herner Meer, Wasserkreuz – die Namen der insgesamt acht Ausstellungsräume des 11 km² großen Gebietes machen neugierig. Alle KünstlerInnen haben sich mit spezifischen Orten der Insel beschäftigt und davon inspirieren lassen. So gehört zu den temporären Interventionen die begehbare Holzbrücke „Warten auf den Fluss“ der niederländischen Gruppe Observatorium. Besucher können in drei japanisch anmutenden Pavillons übernachten, Teil des Kunstwerks werden. Die Zickzackform der Brücke schafft überraschende Ausblicke in die Landschaft, formt kleine Gärten und ist gleichzeitig eine perfekte Konstruktion für ein Sich-Zurückziehen und die Natur studieren. In Sichtweite ein verlassener Kohlebunker, dem Ayse Erkmen mit „Turm 79“ eine goldene Krone aufsetzt: ein Gedankenspiel mit dem Grubengold, das die Region reich gemacht hat. Rita McBride platziert einen „Carbon Obelisk“ in der Nähe, so entsteht mit der dort bereits 1987 aufgestellten Skulptur „Schwelle“ von Raimund Kummer und der seit 1998 auf der Schurenbachhalde thronenden „Bramme“ von Richard Serra ein kleiner Parforceritt durch die Skulpturgeschichte der vergangenen 25 Jahre.
Im BernePark bei Bottrop-Ebel haben sich gleich 4 Künstler einer aufgegebenen Kläranlage angenommen: Aus den beiden runden Klärbecken gestalten die Landschaftsarchitekten Piet Oudolf und Eelco Hooftman (GROSS.MAX) begehbare terassenförmige Gärten. Mischa Kuball inszeniert diese mit Lichtobjekten, während der Konzeptkünstler Lawrence Weiner den ironischen Schriftzug „Catch as Catch can“ im 50er Jahre-Stil auf dem Dach des ehemaligen Betriebsgebäudes installiert.
Die Außenhülle eines ehemaligen Faulturmes in Herne lenkt den Blick zurück auf die Zeit des Kohlebergbaus: Silke Wagners monumentales Wandmosaik auf 600 m² Wandfläche zeigt mit „Glückauf. Bergarbeiterproteste im Ruhrgebiet“ Geschichte und Niedergang des Bergbaus. Im Inneren des Faulturmes wirft die Videoinstallation „Schlagende Wetter“ von M + M auf 4 Großleinwänden einen Blick auf den gesellschaftlichen Wandel der Menschen im Ruhrgebiet.
Tadashi Kawamatas Installation aus Holz „Walkway and Tower“ wurde in einer mehrtägigen Aktion vom Künstler vollendet und bietet von seiner Plattform einen eindrucksvollen Ausblick in die sich wandelnde Landschaft nahe des Wasserkreuzes aus Emscher und Rhein-Herne-Kanal bei Castrop-Rauxel. Das Pendant „gegenüber“ – 34 km weiter westlich am anderen Ende der Insel – ist die Fußgänger- und Fahrradbrücke im Kaisergarten von Oberhausen. Die erst zur Finissage vollendete Brückenskulptur „Slinky springs to fame“ (nach der 1945 durch Richard James erfundenen Metallschraubenfeder) nach Entwürfen des Frankfurters Tobias Rehberger ist mit 406 Meter Länge das größte Objekt der EMSCHERKUNST.2010 und windet sich in Schleifen entlang des Kanalufers, bevor sie zum Sprung auf die Emscherinsel ansetzt.